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Multicopter in Essen

Multicopter in Essen: Es liegt was in der Luft\n

Foto: RWE\n\nDie unbemannten Fluggeräte erobern zaghaft Essens Himmel. Hobby für die einen, Arbeitsgerät für die anderen. Und hier wie da mehr als ein Spielzeug – nicht nur, wenn’s abstürzt.\n\nDie Füße hat er an die Hauswand gepresst, sein Blick geht steil abwärts – 63 Meter in die Tiefe. Hier will Jan Barta gleich senkrecht den Ruhr-Turm an der Huttropstraße herunterlaufen. Er hängt schon vornüber in den Sicherungs-Seilen des Action-Veranstalters, und spätestens jetzt wäre der richtige Moment gekommen, ein pfiffiges Selbstbildnis per Handy zu machen, aber für ein „Selfie“ hat der Kapitän der Essener Eishockey-Truppe Moskitos gerade leider keine Hand frei. Und alle, die ihn fotografieren könnten, stehen hinter ihm. Alle bis auf einen: „Phantom 2“, ein so genannter Quadrocopter, hat sich mit seinem vier Propellern auf gut 60 Meter in Blickweite hochgeschraubt, verharrt in der Luft und fängt den, nun ja, etwas unentspannten Gesichtsausdruck Bartas ein. Perfekt. Jetzt müssen sie nur noch heile unten ankommen: die „House“-Runner am Ruhr-Turm – und der kleine „Phantom“.\n\nDas ist gar nicht so leicht, wie es aussieht: „Mein erster Flug dauerte 30 Sekunden, dann landete das Teil ungespitzt im Erdboden“, sagt Michael Gohl, der als Berufsfotograf vor zwei Jahren den Nutzen der unbemannten Luftfahrzeuge für den eigenen Job erkannte, fleißig fliegen übte – und mittlerweile über eine Flotte von sechs Multicoptern verfügt. Nein, Postpakete werden noch nicht durch die Lüfte transportiert, das ist Zukunftsmusik, aber Fotografen und Videofilmer haben genauso wie Makler- und Ingenieurbüros erkannt, als wie hilfreich sich das fliegende Auge erweisen kann. Zuletzt heimste der Energieriese RWE Deutschland den Ideen-Preis des Deutschen Instituts für Betriebswirtschaft ein, weil seit rund einem Jahr so genannte Hexacopter (hexa ist die griechische Vorsilbe für die Zahl sechs, ein Fluggerät also mit sechs Propellern ) eingesetzt werden, um Hochspannungsleitungen und Photovoltaikanlagen zu inspizieren.\nVideo\nMückenschwarm auf dem Ruhrturm (3:54)\nMoskitos üben Houserunning\nHouserunning\n\nFür den Verteilnetzbetreiber Westnetz GmbH, eine 100-prozentige RWE-Tochter, eine durchaus lohnende Angelegenheit, denn die wendigen Flieger sparen gegenüber Hubsteigern oder gar Helikoptern viel Geld und auch Zeit, kommen selbst an schwer zugängliche Stellen und für sie muss bei allgemeinen Kontrollen von Masten und Freileitungen der Strom nicht abgestellt werden. Und spürbar sicherer, so Westnetz-Geschäftsführer Stefan Küppers, sind die unbemannten Fluggeräte auch.\nNicht höher als 100 Meter\n\nVorausgesetzt, der Steuerer beherrscht sie und man beachtet ein paar Sicherheitshinweise. So braucht, wer die Multicopter gewerbsmäßig nutzt, eine „Aufstiegserlaubnis“ der Bezirksregierung Düsseldorf. Die schreibt vor, dass die inklusive Kamera bis zu fünf Kilogramm schweren Copter maximal 100 Meter Flughöhe haben dürfen, dass Menschen und Menschenansammlungen genauso wenig überflogen werden dürfen wie zum Beispiel Unglücksorte und Katastrophengebiete, militärische Anlagen oder Justizvollzugsanstalten.\n\nDie professionellen Copter-Piloten halten sich bis dato offenbar dran – und noch ist es auch nicht allzu eng am blauen Himmel über der Ruhr: Im gesamten Regierungsbezirk Düsseldorf, zu dem auch Essen gehört, wurden in den vergangenen drei Jahren rund 190 Allgemein-Erlaubnisse und 70 einzelne Aufstiegs-Genehmigungen erteilt.\n\nWie viele Hobby-Modellbauer allerdings zusätzlich ihre Multicopter in die Lüfte schweben lassen, hat noch niemand gezählt, denn für die zu Privatzwecken genutzten unbemannten Fluggerätschaften unter fünf Kilogramm Gesamtmasse besteht keine luftrechtliche Erlaubnispflicht.\n\nMit der Folge, dass sich auch blutige Anfänger daran machen können, mit gerade mal 159 Euro teuren Quadrocoptern des Technik-Händlers Conrad unendliche Weiten zu entdecken. Das kann gehörig schief gehen für den, der etwa die Akkuladung nicht im Blick hat, die einen Hexacopter gerade mal acht Minuten in der Luft schweben lässt. Oder wenn da jemand seine Flugkünste überschätzt, das Teil auf eine viel befahrene Straße stürzt – an heiklen Szenarien ist kein Mangel. Auch deshalb brauchen professionelle Piloten eine spezielle Haftpflichtversicherung, um überhaupt die Flugerlaubnis zu bekommen.\n\nImmerhin, über gravierende Zwischenfälle – egal, ob aus der Profi- oder Amateur-Szene – ist der Polizei nichts bekannt. „Bisher überhaupt kein Problem“, heißt es von der Leitstelle, wobei Polizeisprecher Ulrich Faßbender bekennt: „Wir sind durchaus problembewusst.“\n\nAber dass man einen spionierenden Multicopter im Einsatz – egal ob beim Fußball-Krawall, bei einer Hausbesetzung oder Demo – herunterholen muss, das gab’s noch nicht. Es könnte auch teuer werden für den Piloten, denn Einsatzorte der Polizei zu überfliegen, ist in der offiziellen Aufstiegs-Erlaubnis ausdrücklich untersagt.\nEin Spion? Ein Auftrag!\n\nDennoch entstand das Luftbild vom Betongrab der ermordeten Madeleine im Kleingarten-Gelände am Borbecker Weidkamp genau so: aus der Luft. Die weiträumigen Absperrungen der Ordnungshüter – für die Katz.\n\nEs geht auch weniger dramatisch, aber nicht weniger verboten: Was ist mit Multicoptern, die aufnehmen, wie sich die schöne Nachbarin hinter der großen Grundstücksmauer am heimischen Swimming-Pool aalt? „Ein interessantes Thema“, weiß Anette Milk, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, und zitiert Paragraf 201 a des Strafgesetzbuches – „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ – der mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe belegt wird. Ob das auch alle Hobby-Piloten wissen?\n\nBerufsfotografen wie Michael Gohl werden nicht selten angesprochen, weil Anwohner mitunter Spionageeinsätze vermuten. Er weiß sich zu helfen – mit einer Kopie seiner Aufstiegs-Erlaubnis, einer Genehmigung der jeweiligen Grundstückseigentümer und dem tröstenden Hinweis, dass Aufnahmen mit Hobby-Gerätschaften eh nicht sonderlich hochwertig geraten.\n\nDarum schraubt er von Hand ebenso teure wie leichtgewichtige Lumix-Kameras unter seine Fluggeräte, mit denen er bei seinem jüngsten Auftrag eines Projektentwicklers den Blick vom Balkon in zwölf Metern Höhe zeigt. Dabei ist nicht mal die Baugrube ausgehoben.\n\nMulticopter in Essen: Es liegt was in der Luft | WAZ.de - Lesen Sie mehr auf:\nhttp://www.derwesten.de/staedte/essen/multicopter-in-essen-es-liegt-was-in-der-luft-id9663755.html#plx945186416



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